Vom 23. bis 28. Juni verbrachten 12 Teilnehmer/innen des Freigegenstandes interessante und zeitweise auch aufregende Tage im "fremden Nachbarn" Rumänien. Mit von der Partie als zweite Begleitlehrerin Gudrun Badstuber, Naomi als Dolmetscherin, Hatice - unverkennbar mit Kopftuch - und weitere 10 unternehmungslustige Geo-Fans, insgesamt 8 Mädchen und 4 Burschen.

Mit dem "Dacia-Express" begann die Reise: über Wien und Budapest zuerst zur rumänischen Grenze, wo der Zug etwa eine Stunde lang angehalten wurde. Dass der Grund dafür ausgerechnet bei unserer Gruppe lag, wurde schlussendlich allen von uns klar: Hatice ist türkische Staatsbürgerin, und trotz umfangreicher Erkundigungen vorher über Einreisebestimmungen, Visa etc. wollten die rumänischen Grenzbeamten ihren Pass nicht anerkennen. Nachdem ich schon mit meinem Gepäck am Bahnsteig stand und darauf vorbereitet war mit ihr wieder die Rückreise anzutreten, winkten sie uns dann doch wieder in den Zug hinein - die erste und größte Aufregung war überstanden.
Erster Programmpunkt war der Besuch im Kinderheim von Agirbiciu, das Frau Badstuber schon seit vielen Jahren gut kennt und das sie durch vielfältige Aktionen unterstützt. So wurde die Ankunft im kleinen, verschlafenen Dorf für sie zu einem Wiedersehen mit alten Bekannten und Freunden, für uns zu einer spannenden neuen Begegnung. Geplant war, einen Nachmittag mit den Kindern zu verbringen - mit ihnen zu malen, zu spielen und einige Stunden in guter und kreativer Gemeinschaft zu verbringen.

Dieses Kinderheim ist eines der drei Sozialprojekte der HAK Krems. Es auch wirklich vor Ort kennen zu lernen und den Buben, die dort noch immer unter für uns unvorstellbaren Bedingungen ihre Kindheit und Jugend verbringen, zu begegnen - das war für alle von uns eine tiefe Erfahrung, die uns sehr nachdenklich gemacht hat ...

Am Abend gab es dann ein lustiges Grillfest.
Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes fuhren wir mit dem Zug weiter nach Sibiu/Hermannstadt, Kulturhauptstadt des Jahres 2007 und eines der Zentren Siebenbürgens. Linus, unser Stadtführer, zeigte uns bei strahlendem Wetter die Sehenswürdigkeiten der Altstadt.

Am Nachmittag fuhren wir ins nahe gelegene Rosia/Rothberg, wo wir den deutschsprachigen Schriftsteller Eginald Schlattner in seinem Haus besuchten. In diesem Dorf lebten vor 20 Jahren noch etwa 800 deutschsprachige Sachsen, die nach der politischen Wende fast alle das Land verließen und nach Deutschland zogen. Nachdem Schlattner uns schon im März dieses Jahres in der Schule besucht hatte, kamen wir gerne seiner Einladung nach. Er zeigte uns den Pfarrhof und die Kirche und wir hatten Gelegenheit zu der von ihm angekündigten Kutschenfahrt.

Am nächsten Tag, dem heißesten des Jahres in Rumänien, waren wir noch zu Gast im Forum der Deutschen Rumäniens. Am Nachmittag ließen wir uns dann im "Schnellzug" nach Timisoara/Temeswar schaukeln: In einem altersschwachen blauen Zug, dessen Inneneinrichtung man am besten nicht sehr genau in Augenschein nimmt, verbrachten wir ganze 6 Stunden. Da hilft am besten Spaß zu machen und die Situation von der heiteren Seite zu nehmen. Und alle haben wir uns geschworen: Nie wieder werden wir über die ÖBB schimpfen!
Der letzte Tag in Timisoara/Temeswar brachte nicht nur die ersehnte Abkühlung, sondern auch die wirtschaftliche Seite unserer Exkursion: Wir wurden mit einem Minibus abgeholt und nach Deta gebracht, einer kleinen Stadt 40 km südlich von Timisoara, wo Eybl-International vor einigen Jahren eine Fertigung errichtet hat. Hier werden von etwa 1700 Mitarbeitern textile Autokomponenten und Lederlenkräder erzeugt - eine typische Form von Auslagerung von arbeitsintensiven Tätigkeiten in ein Billiglohnland.
Nach der Rückfahrt blieben noch einige Stunden zur Besichtigung der Stadt Timisoara/Temeswar: Überall im Zentrum die Architektur aus der Habsburgermonarchie - man fühlt sich fast schon wie in Wien.
Am Abend nehmen wir dann müde und voller Eindrücke Abschied von diesem weitläufigen und vielschichtigen Land. Wir haben Städte und Dörfer, Rückständiges und Fortschrittliches gesehen. Wir wurden mit sozialen Missständen, kulturellen Highlights und wirtschaftlichem Aufbruch konfrontiert und kehren voller neuer Eindrücke und Erfahrungen zurück nach Österreich.
3 Kommentare:
Nach meiner Rückkehr aus der Türkei, wo ich gemeinsam mit Tausenden Maturanten an der heißesten Woche seit 30 Jahren teilhaben durfte (Spitzenwert: 47 °C im Schatten!), freut es mich besonders, gleich mit zahlreichen Eindrücken aus Rumänien überhäuft zu werden.
Es scheint ja wieder eine interessante und vor allem facettenreiche Reise geworden zu sein. Was lässt sich denn über die EU-Reife des Staates sagen? "Soziale Missstände" klingt ja nicht gerade nach EU-Niveau.
Hallo Martin,
ganz so heiß wie in der Türkei war es in RO nicht, aber geschwitzt haben wir trotzdem. Was "soziale Missstände" betrifft - da erwähne ich nur einmal das Kinderheim, aber das ist natürlich ein Kapitel für sich. Sonst meine ich ganz einfach: ein Staat in der Transformationsphase geht natürlich durch ein Tal der Tränen, und da ist RO sicher ein treffendes Beispiel. Auch ohne Krieg (wie etwa BIH).
guten tag! :)
mit wehmut denke ich an die zeit zurück, als wir in sarajevo waren und eine ähnliche reise, wie ich meine, erlebt haben. nur zu gerne wäre ich nach rumänien mitgefahren! beeindruckender artikel. sie haben diese blauen züge erwähnt, dessen inneneinrichtung man nicht näher betrachten sollte.. in einem ähnlichen zug bin ich vor einem jahr von krakau nach oswiecim (auschwitz stadt) gefahren. diese züge waren glaube ich in einem ähnlichen zustand, wenn nicht schlimmer.
ich freue mich schon sehr auf weitere blogeinträge von ihnen! :)
liebe grüße
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